Aktuelles  -  08. Juli 2019

Rückschau: BAG K+R auf dem Deutschen Ev. Kirchentag 2019 in Dortmund

Was für ein Vertrauen  - unter diesem Motto lud der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag vom 19. - 23. Juni in diesem Jahr nach Dortmund ein. Zusammen mit unseren Kooperationspartnern Mobile Beratung NRW, dem Bundesverband Mobile Beratung und dem Arbeitskreis Christ*innen gegen Rechtsextremismus im Kirchenkreis Dortmund stellten wir ein vielfältiges Programm zum Thema „Rechtsextremismus“ zusammen.

Der Kirchentag wurde am Mittwochnachmittag eröffnet mit dem „Gedenken zu Beginn“  vor der Steinwache, bei dem ein Bogen von der NS-Zeit bis zur Gegenwart geschlagen wurde. Teil des Gedenkens waren Pfarrer  Friedrich Stiller und Rainer Zunder vom Arbeitskreis  Christ*innen gegen Rechtsextremismus. Sie berichteten von der teils gewaltbereiten und gut vernetzten Neonazi-Szene in Dortmund, betonten aber auch die langjährige Gegenwehr von  Stadt und Zivilgesellschaft. Vorher hatte der Kirchentagspräsident Hans Leyendecker in seiner Eröffnung seinen Abscheu über die Ermordung des Regierungspräsidenten von Kassel  Walter Lübcke ausgedrückt.

Unter dem Motto „Unser Kreuz hat keine Haken“ bot der Dortmunder Arbeitskreis „Christ*innen gegen Rechtsextremismus“ ausserdem  sehr gut besuchte Stadtrundgänge zu „Rechtsextremismus in Dortmund – eine Stadt wehrt sich“ an. Der Stadtrundgang führte in der Dortmunder Innenstadt zu bedeutsamen Orten rechtsextremer Taten und zivilgesellschaftlicher Gegenwehr und endete am Mahnmal für die NSU – Opfer. Mehr als 800 Personen nahmen an den 6 Rundgängen teil, etliche Medien berichteten , so auch das ZDF in seinem Abschlussbericht.

Das Thema Rechtsterrorismus bildete ein Schwerpunkt unseres Programms und wurde aus drei Perspektiven betrachtet: Das Theater Münster beleuchtete so am Donnerstagnachmittag vor 70 Besucher*innen im Zentrum Jugend in seinem dokumentarischen Stück „Auch Deutsche unter den Opfern“ die Rolle der Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex. Bei der anschließenden Diskussion mit Regisseur Tuğsal Moğul wurde – auch unter dem Eindruck der aktuellen Entwicklungen – die Forderung erhoben, als Kirche wachsamer zu sein und für die lückenlose Aufklärung der NSU-Morde und rechter Terrorstrukturen einzutreten.

Die NSU-Monologe auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund 2019

Die Bühne für Menschenrechte präsentierte am Donnerstagabend das Stück „Die NSU-Monologe“ im Dortmunder Schauspielhaus. Im Stück wird u.a. die Geschichte der Familie Kubaşık erzählt.  Mehmet Kubaşık wurde vom NSU am 4. April 2006 in seinem Kiosk in der Dortmunder Nordstadt erschossen. Die anwesenden rund 300 Besucher*innen waren sichtlich bewegt. In der anschließenden Diskussion wurden Bezüge zum Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke hergestellt und betont wie wichtig es sei, das Stück weiter aufzuführen, um die Sicht der betroffenen Familien nicht aus den Augen zu verlieren.

Der Fokus auf Sicherheitsbehörden und Betroffene rechten Terrors wurde am Samstag im Rahmen eines Fachvortrags zur Rolle der Täter ergänzt. Hendrik Puls (Ruhr-Uni Bochum) stellte in seinem Vortrag im Kulturzentrum Langer August die Konzepte des Rechtsterrorismus vor, zeigte Kontinuitäten auf und ging verstärkt auf die Verstrickungen der Dortmunder Neonazi-Szene in das Terrornetzwerk Combat 18 ein.

Im Zentrum Jugend diskutierten von Donnerstag bis Samstag   jeweils  30 Workshop-Teilnehmende mit den Organisatoren Holger Wiewel (Bielefelder Verein für demokratisches Handeln), Carolin Decker und Volker Kohlschmidt (beide Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus) darüber, was rassistisch ist und woher Vorurteile kommen. Für Kohlschmidt war es das Ziel, die Teilnehmenden zum Nachdenken anzuregen: „Wir möchten, dass man nicht mehr einfach rassistische Bilder benutzt und reproduziert. Wir wollen aber auch niemanden belehren, sondern über Rassismus im Alltag sensibilisieren.“.  Auch die weiteren Workshops zu „Rechter Musik“ und „Symbole, Codes und Lifestyle der  extremen Rechten“ waren mit 30 Workshop-Teilnehmenden immer ausgebucht.  Insgesamt  war die Nachfrage bei weitem höher als die Zahl der Plätze, sodass viele Kirchentagsbesucher*innen sich leider vergeblich auf den Weg gemacht hatten. Durch die Ausstellung „Der z/weite Blick“ zum Thema „Jugendkulturen und Diskriminierungen“ führte das Archiv der Jugendkulturen und kam mit vielen interessierten Besucher*innen ins Gespräch.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zu Besuch am BAG K+R-Stand

Gesicht zeigen gegen Antisemitismus konnte man am Stand der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus auf dem Markt der Möglichkeiten. Die Kampagne der AG Juden und Christen mit dem Motto Jedes wir beginnt mit mir! wurde von einer Postkartenaktion begleitet. Über die Arbeit der BAG K+R sprachen Mitglieder des Sprecher*innenrats am Stand mit dem JUSO-Chef Kevin Kühnert und dem SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Dieser betonte die Wichtigkeit der Vernetzung im Raum der Kirche zum Themenbereich Rechtsextremismus.

Mit unserem gemeinsamen Programm zum Thema Rechtsextremismus beim Ev. Kirchentag in Dortmund wurde deutlich, dass auch und im Besonderen Kirche ein Ort des genuinen Widerstandes gegen nationalistische, antisemitische, fremdenfeindliche und rassistische Weltbilder sein muss und dass somit eine deutliche Positionierung gegen Rechtsextremismus und rassistische Gewalt unerlässlich ist.

Vom 12. bis 16. Mai 2021 können wir uns auf einen Ökumenischen Kirchentag  in Frankfurt/Main freuen. Auch dort werden wir spannende Veranstaltungen und Aktionen zum Themenbereich anbieten.